Delfter
Kachel, Delfter Fliese,
Delfter Fayence
Delfter
Fayence, was ist das?
Alles Kachel oder was?
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Torbogenfliese (sog.
poorttegel); Fuchs; blau; |
Was ist das, wo kommt das her, wie sieht das aus und vor allen Dingen: wer will das haben?
Nun - die letzte Frage zu beantworten, das ist mir ein Leichtes. Ich will so was haben! Wer also ein paar seltene Einzelstücke irgendwo in seinem Keller gebunkert hat, der kann mir gerne eine E-Mail schicken und seine Preisvorstellung nennen. Wäre doch schade, wenn ihr euch mit diesen Teilen womöglich die Hosentaschen ausbeultet und dann Ärger mit Muttern bekämt.
Bei den anderen, schwierigeren Fragen werde ich mir hingegen etwas mehr Zeit nehmen müssen:
Delfter Fayence, was ist das?
Unter einer „Delfer Fayence“ versteht man den Überbegriff für ein Gefäß oder eine Fliese aus Ton, die mit einer Zinnglasur versehen ist. Namensgebend war die holländische Stadt Delft, die im 17. und 18. Jahrhundert durch ihre blau-weißen Keramikprodukte über die Grenzen hinaus bekannt war.
Und was bedeutet "Fayence"?
Der Begriff „Fayence“ wiederum stammt aus dem Französischen und bezeichnet farbiges Tongeschirr, welches mit einer Zinnglasur überzogen ist. Die Bezeichnung ist von der italienischen Stadt Faenza abgeleitet, die in der Renaissance Hochburg der Majolikaproduktion war und von wo u.a. aus zinnglasierte Keramik nach Frankreich und Flandern exportiert wurde.
Alles Kachel oder was?
Für Delfter Kacheln wird man
dies vom Beginn des 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts durchaus sagen können. Denn es
handelt sich hierbei um die sog. Blütezeit, in der sie nahezu konkurrenzlos
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Biblische Szene, "die Kundschafter" (Num. XIII.23.); blau; Eckmotiv: Ochsenkopf; Rotterdam, Mitte 18. Jhdt., 12,8 x 12,8 x 0,8 cm; mit solchen Fliesen wurden häufig Kamine und Öfen verkleidet |
Übrigens heißen die Delfter Kacheln nach dem Deutschen Normenausschuss eigentlich "Delfter Fliesen". Von Kacheln ist nur dann die Rede, wenn diese an Kachelöfen angebracht sind. Sie sind meist größer und vor allem an der Zarge (Steg) auf der Rückseite zu erkennen.
Um noch mehr Verwirrung zu stiften: Delfter Fliesen wurden nur zu einem recht kleinen Teil in Delft selbst hergestellt. Das Gros dieser meist 13 x 13 cm großen zinnglasierten Ton-Platten stammte vielmehr aus den Fayence-Manufakturen in Amsterdam, Antwerpen, Dordrecht, Gouda, Haarlem, Harlingen, Hoorn, Leeuvarden, Leiden, Makkum, Middelburg, Rotterdam und Utrecht (deshalb ist richtigerweise von holländischen Fliesen zu sprechen, auch wenn allgemein für solche Wandfliesen das Synonym "Delfter Fliese" verwendet wird).
Aster in Zackenraute; |
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Zudem gelangte das Fliesen-Handwerk schon gegen Ende des 16. Jahrhunderts ebenfalls nach England und ein wenig später nach Deutschland, wo die Herstellung der blau-weißen Fliesen in Anlehnung an die holländischen Fayencen im 17. und 18. Jahrhundert besonders an Bedeutung gewann. Nennenswerte Produktionsstätten solcher Fliesen entwickelten sich aber auch u.a. in Frankreich, Portugal, Dänemark, Schweden und Russland.
Beispiel einer deutschen "Delfter Fliese" aus Hannoversch Münden, bei der die individuelle Bemalung kaum noch Ähnlichkeiten mit der traditionellen Delfter Fliese aufweist: springender Rehbock; gelb mit schwarzen Umrisslinien; Eckmotiv: Viertelrosette; 1770; 12,7 x 12,8 x 0,6 cm; selten |
Zu erwähnen ist schließlich, dass bereits ab dem 12. Jahrhundert Fayencefliesen in Spanien gefertigt wurden, wohin die Mauren (Araber) lange davor, nämlich während ihrer Eroberung Spaniens, das bereits Hunderte von Jahren alte Herstellungsverfahren mitgebracht hatten. Zu einer ersten Blüte zinnglasierter Produkte (Fliesen und Geschirr) kam es dort im 14. und 15. Jahrhundert.
Im 15. Jahrhundert bestand ein reger Handel zwischen Spanien und Italien. Hierbei wurde eine große Anzahl spanischer Fayencen nach Italien exportiert. Da der Transport über Mallorca erfolgte, nannte man und nennt man noch heute zinnglasierte Tonwaren ebenfalls "Majolika" (abgeleitet von Mallorca, nach altitalienischer Bezeichnung "Maiolica"). In Italien wurde die Herstellung von Majolika hinsichtlich Technik, Qualität, Farbe und Dekore weiter entwickelt. In der Renaissance erreichte sie auch hier ihren Höhepunkt.
Italienische Fliesenhandwerker haben dann im frühen 16. Jahrhundert durch ihre Ansiedlung in Antwerpen dort ihre Kunst der Herstellung zinnglasierter Keramik heimisch gemacht. Antwerpen gehörte zu dieser Zeit zum südlichen Teil der damaligen unter der Herrschaft Spaniens stehenden Niederlande.
In den nördlichen Provinzen, dem heutigen Holland, wurden die ersten Fliesenwerkstätten ab 1570 gegründet, nämlich in Middelburg, Dordrecht, Delft und Haarlem, aber auch in Rotterdam und Amsterdam. Anlass hierfür war, dass im Zuge des holländischen Freiheitskrieges gegen Spanien und nach Eroberung und Plünderung von Antwerpen eine Vielzahl protestantischer Handwerker dorthin geflohen war.
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Nach maurischer (arabischer) bzw. altpersischer Manier wurden die dort gefertigten Fliesen zunächst überwiegend mit polychromen Ornamenten (Renaissancemotive) bemalt.
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"Persische Ornamentfliese";
polychrom; gemalt in sog. Sgraffito-Technik (Einritzen von Linien in die
Farbglasur); |
Es dauerte aber nicht lange, bis die spanisch/maurischen Vorbilder ornamentaler Fliesenbemalung in den Hintergrund traten. Die spanischen Dekorelemente, so vor allem die rautenartige Begrenzung der Bildmotive (maureskes Quadrat), vermischten sich nämlich frühzeitig mit dem italienischen Stil farbiger Darstellungen von Portraits, Soldaten und Tieren sowie ein wenig später von Früchten und Blumen, die zugleich in breiter runder Rahmung (italienisches Medaillon) abgebildet wurden.
Hase; polychrom; Eckmotiv: sog. nierenförmige Maureske ("palmethoek"), in Ausspar- bzw. Reservetechnik aufgemalt; vermutlich Rotterdam, 1580 - 1625 (Anfang 17. Jhdt.); 13,6 x 13,6 x 1,5 cm |
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Diese Art der Fliesenbemalung kann als Ursprung der typischen holländischen Motivgestaltung bezeichnet werden (ca. um 1600), die die Ornamentfliese nach und nach verdrängte.
Als das Chinesische Porzellan in Mode kam, änderten die Fliesenmaler gegen 1620 erneut ihren Stil. Es entstand das auch heute noch bekannte "Delfter Blau" nach dem Vorbild des chinesischen Porzellandekors.
Springender Hirsch, umgeben mit typischen chinesischen Dekorelementen wie gewellter Rahmung
und Wan-Li-Eckmotiv; blau; Rotterdam, 1620 - 1660; |
Wegen der stetig wachsenden Nachfrage nahm ab 1600 in den nördlichen Regionen der damaligen Niederlande die Fliesenproduktion rasant zu, Beginn der besagten Blütezeit, wobei weitere Fliesenhersteller in Utrecht, Harlingen und nach 1660 auch in Makkum hinzukamen.
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Hier zwei typische Beispiele: |
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Auf Grund der vor allem in England und Deutschland industriell hergestellten Fliesen, die nicht nur wesentlich haltbarer waren, sondern auch durch die Verwendung von Tonschneide- und Pressmaschinen sowie das Bedrucken mit Motiven und Ornamenten im Wege eines Umdruckverfahrens eine erhöhte Massenproduktion ermöglichten, sowie wegen des Vordingens der Tapete als Wandverkleidung war im Laufe des 19. Jahrhunderts die Erfolgsgeschichte der handgemalten "Delfter Fliesen" vorbei.
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts lebte die traditionelle Fliesenproduktion zwar in Holland wieder auf, allerdings nur in wesentlich bescheidenerem Umfang. Die Schönheit und Einmaligkeit der handbemalten Fliesen blieb jedoch erhalten (Fliesenbild, bestehend aus 2 x 3 Fliesen á 13,2 x 13,2 x 0,8 cm: Vogelkäfig mit Kanarienvogel; polychrom; Utrecht, 2. Hälfte 19. Jhdt., vermutlich ca. 1875). |
Sollte ich damit schon jetzt das Interesse an diesen einzigartigen "Schmuckstücken" geweckt haben, so darf ich für weitere Informationen auf die anderen Links meiner Website hinweisen. Daneben möchte ich aber auch den Besuch eines Museums empfehlen, in dem holländische Fliesen präsentiert werden, wie z. B. das Museum Nienburg oder das Museum für sakrale Kunst und Liturgie in Heidelberg. Ebenso empfehlenswert sind das Schloss Nymphenburg in München, das Schloss Augustusburg in Brühl, das Schloss Oranienbaum in Sachsen-Anhalt sowie das Schloss Caputh bei Potsdam, wo herrliche mit holländischen Fliesen der damaligen Zeit ausgestatte Säle besichtigt werden können.