Altersbestimmung

Auch wenn die Art der Bildmotive und die Gestaltung der Eckmotive bereits Anhaltspunkte für das Alter einer Fliese ergeben, 

hier Bemalung mit großer Einzelperson, und zwar Besenmacher; blau; Delft; typisch für die Zeit von 1625 bis 1670; hier mit der "großen" Volute der Periode von 1625 bis 1650 als Eckmotiv; 13,2 x 13,2 x 1,5 cm  

darf nicht vergessen werden, dass die Bildschablonen, nach denen gearbeitet wurde, oft viele Jahrzehnte lang Verwendung fanden. 


Zwei Landschaftsfliesen mit gleichem Motiv: Reiter und bellender Hund am Wegesrand, unterschiedlich ausgemalt; jeweils mit Ochsenkopf-Eckmotiven; beide Rotterdam: links aus der Zeit von 1670 bis 1700; 12,8 x 12,8 x 1,0 cm; rechts aus der Zeit von 1700 bis 1730; 13,1 x 13,1 x 0,9 cm

Zur ungefähren Altersbestimmung einer holländischen Fliese sollten deshalb - auch neben den unter dem Link "Herstellung" erwähnten sog. Backpunkten - noch folgende Merkmale herangezogen werden:

Farbe des Scherbens bzw. Rückseite der Fliese
Dicke des Ziegels 
Farbe und Glasur 
Motiv- und Rahmengestaltung

Die Farbe des Scherbens bzw. Rückseite der Fliese

Die Fliesen ab Ende des 16. bis Mitte und teilweise auch noch bis Ende des 17. Jahrhunderts wurden in der Regel aus rötlichem Ton hergestellt. Die rötliche Farbe verursachte der Eisengehalt des in Holland vorkommenden mehr oder weniger kalkarmen Tons.

Von daher stammt auch die holländische Bezeichnung "Tegel", die dem hier zu Lande verwendeten Wort (roter) Ziegel entspricht. 

Im Verlauf des 17. Jahrhunderts wurde vermehrt kalkhaltige Erde in die Tonmasse eingeschlämmt, um eine bessere Haftung der Zinnglasur auf dem "Ziegel" zu erreichen. Dies führte dazu, dass schon ab Mitte des 17. Jahrhunderts, in jedem Fall aber ab Beginn des 18. Jahrhunderts der Scherben überwiegend heller, d. h. cremefarben und noch später meist grauweiß wurde. 

Die Fliesen des 19. und 20. Jahrhunderts weisen in der Regel eine recht helle, gelbliche oder grauweißliche Färbung des gebrannten Ziegelmaterials auf. 

Hier drei typische Rückseiten:


17. Jahrhundert

18. Jahrhundert

19. Jahrhundert

Da die Fliesen-Rohlinge ab 1900 in der Regel mit der Fliesenpresse hergestellt wurden, besitzen sie auf der Rückseite zum Teil Rillen. Sollten also solche "Pressrillen" vorhanden sein, lassen sich nicht nur durch einen Farbvergleich des Tonscherbens, sondern auch vor allem hierdurch Fliesen des 20. Jahrhunderts von Fliesen, die aus der Zeit von vor 1900 stammen, recht einfach unterscheiden.

Hier zwei typische Beispiele mit Rillen


1900 - 1920



1920 - 1970 
(gemarkt mit "WESTRAVEN" UTRECHT MADE IN HOLLAND 2)

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Die Dicke des Ziegels 

Die ersten holländischen Fliesen ab 1570 bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts waren im Vergleich zu späteren Fliesen, bedingt durch den Herstellungsprozess, meist sehr dick. Deshalb sind sie nicht nur recht schwer, sondern auch relativ widerstandsfähig. 

Die Dicke solcher Fliesen des späten 16. Jahrhundert bis Anfang 1600 schwankte zwischen 1,9 cm (in selteneren Fällen hatten sie auch eine Dicke von 2,0 cm) und 1,5 cm. 

Springender Hase; polychrom; Eckmotiv: nierenförmige Maureske ("palmethoek") in Ausspar- bzw. Reservetechnik aufgemalt; 1580 - 1625 (um 1600) mit der für solche frühen Fliesen typischen Dicke von 1,5 cm (13,0 x 13,0 cm); vermutlich Rotterdam; so schön sehr selten

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts besaßen sie immer noch recht häufig eine Dicke von 1,5 cm, die sich schon bald auf 1,4 oder 1,3 cm bis auf 1,2 cm in den Jahren von 1630 bis 1640 verringerte.

Fliese aus der Periode 1630 - 1650 mit der für die Mitte des 17. Jhdts. typischen Dicke von 1,1 cm (12,6 x 12,6 cm); Jäger mit Jagdhorn und Spieß im Medaillon; blau; Eckmotiv: Ochsenkopf; Gouda oder Rotterdam; selten

Bereits ab der Mitte des 17. Jahrhunderts wurden die Fliesen noch dünner produziert und verzeichnen nun in der Mehrzahl eine Dicke zwischen 1,2 cm und 1,0 cm bis hin zu Stärken von 0,9 bis 0,7 cm vor allem gegen Ende des 17. Jahrhunderts.

Die Dicke zwischen 0,7 cm bis 0,8 cm haben die Fliesen in der Regel je nach Qualität und Produktionsstätte vom 18. bis ins 20. Jahrhundert beibehalten.    

 Charakteristische Seitenansichten:

ca. 1625, 1,3 cm

ca. 1680, 1,0 cm ca. 1770, 0,8 cm

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Farbe und Glasur

Die Farbgestaltung entsprach bis ca. 1630 überwiegend den italienischen und spanischen/portugiesischen Fliesenvorbildern. Die Farbgebung der Fliesen war in gelb, orange , blau, grün, rot, violett und weiß gehalten, als polychrom bemalt bezeichnet. 

Pompadur-Fliese (Ornamentfliese) mit Orangen  und Ringelblumen im Viertel-Vierpass; polychrom (blau, grün, gelb und orange); Eckmotiv: Maureske (Palmette); Provinz Holland, 1600 - 1630;
13,1 x 13,1 x 1,6 cm

Parallel hierzu gab es in dieser Frühphase auch schon Fliesen mit dem typischen Schwarzblau und einem eher seltenen Braun.

Im Verlauf des weiteren 17. Jahrhunderts lösten sich die Fliesenmaler mehr und mehr von diesem farblichen Vorbild und bemühten sich eigene Farbgebungen zu entwickeln. Hierzu gehörte vor allem das Hellblau (allgemein bekannt als "Delfter Blau"), und zwar in Anlehnung an das seinerzeit beliebte Blassblau des chinesischen Ming-Porzellans. 

Blumenvase mit Gesicht (selten), blau, Eckmotiv Lilie, 1625 - 1660, 
wahrscheinlich Haarlem, 
12,8 x 12,8 x 1,1 cm

Ab Mitte des 17. Jahrhunderts setzte sich die blaue Bemalung der Fliesen dann allgemein durch (sog. Monochromie, entsprechend dem Zeitgeschmack der frühen Barockzeit). 

Gegen Ende des 17. Jahrhunderts wurde wieder das tiefe Blau in Anlehnung an die Farbgebung des chinesischen Porzellans der Kang-Hi Zeit beliebter.

Haifisch; blau mit in Mangan gehaltenen Konturen; 
Eckmotiv: Ochsenkopf; 
Mitte 17. Jhdt.;
12,9 x 12,9 x 1,0 cm

Die sog. manganfarbene Bemalung - ein zartes Violett - trat verstärkt in der Rokokozeit des späten 18. Jahrhunderts auf. Diese Farbe entsprach anders als das Blau nun dem Zeitgeschmack. Zuweilen finden sich beide Farben auf einer Fliese, wobei die relativ frühen Exemplare ab der Mitte des 17. Jahrhunderts (siehe Abb. oben) selten zu finden sind. 

Hirtenfliese; Motiv blau im Kreis, ausgespart auf mangan gesprenkeltem Quadrat mit Vierecken im diagonalen Muster; 1700 - 1800; 12,5 x 12,5 x 0,8 cm (siehe weitere Beispiele unter "Faszination", "Motive": Landschaften und Hirten, sowie "Eckmotive")

Die überwiegend monochrom gehaltenen Fliesen des 19. und 20. Jahrhunderts sind blau, und zwar von hell bis dunkel, sowie mangan, und zwar teilweise mit mehr rötlichem oder mehr bräunlichem Stich (siehe das seltene Beispiel einer grün bemalten Fliese aus der Zeit von 1890 bis 1920 unter dem Link "Herstellung" und dort: "Zu den verwendeten Farben").

Gleichzeitig mit der farblichen Veränderung der Fliesen veränderte sich auch die Glasur. Die Fliesen des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts wurden mit weißer Zinnglasur überzogen und bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts nach dem Bemalen zusätzlich mit einer dünnen Schicht transparenter Bleiglasur versehen (das sog. Kwaarten). Hierdurch sollte der Oberfläche mehr Glanz verliehen werden. Bei gut erhaltenden Fliesen lässt sich dieser Effekt, der die Leuchtkraft der Fliesen verstärkt, noch recht gut erkennen. 

Vor dem Hintergrund, Ähnlichkeiten mit dem chinesischen Porzellan zu erreichen, erfuhr in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts das Weiß der Zinnglasur eine zartblaue Tönung.  

Zum Vergleich:



Blumenvase; polychrom; 1610 - 1650, hier um 1620; mit weißer Grund-Glasur;
13,3 x 13,3 x 1,5 cm


Doppeltulpe; polychrom; 1620 - 1650, hier um 1640; mit blaugetönter Grund-Glasur;
13,0 x 13,0 x 1,2 cm

Veränderungen in der Tonzusammensetzung und beim Glasieren machten ab der Mitte des 17. Jahrhunderts die Bemalung mit der Schicht transparenter Bleiglasur als Arbeitsgang entbehrlich. An diesem Prozess des Glasierens von Fliesen fanden bis heute kaum Veränderungen statt. 

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Motiv- und Rahmengestaltung

Während die Fliesen bis Ende der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts aufwendige, sich über die gesamte Mittelfläche erstreckende Hauptmotive, zum Teil in Verbindung mit aufwendigen Rahmungen und Eckornamenten hatten, 

Kuh in Akkoladenrahmung; blau; Eckmotiv: Flügelblatt; Rotterdam; 1625 - 1650;
13,0 x 13,0 x 1,2 cm

wurde das Zentralmotiv im Lauf der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts wegen der steigenden Nachfrage und in dem Bestreben, die Produktionskosten zu senken, immer kleiner und einfacher. Die Fliesen waren zudem nun überwiegend einfarbig, die Rahmen um das Hauptmotiv verschwunden und die Eckmotive ebenfalls verhältnismäßig klein.

Miniaturdarstellung eines Reiters mit Gehöft und winzigen Spinnenköpfchen als Eckmotiv; 
1670 - 1700; blau; 13,0 x 13,0 x 1,1 cm; 
das Zentralmotiv ist in diesem Fall besonders fein gemalt

Erst ab Beginn des 18. Jahrhunderts, als die Produktionstechnik zu weiteren Einsparungen sowohl beim Ton, bei der Glasur (wegen Wegfalls des 2. Glasurvorgangs) als auch bei den zur Bemalung verwendeten Farbpigmenten führte und die verbesserte Brenntechnik das gleichzeitige Brennen größerer Fliesenmengen ermöglichte, erstreckte sich das Hauptmotiv wieder häufig über die gesamte bzw. einen Grossteil der Mittelfläche der Fliese.

Ein ähnlicher Wandel vollzog sich bei der Gestaltung des Rahmenwerks um das Hauptmotiv

In der Anfangsphase bis zur 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts wurden überwiegend in großzügiger Manier das italienische Medaillon und die aus Spanien kommende Raute übernommen. Ab 1620 traten erstmals die Torbogen- und Kandelaber-Rahmungen auf. Innerhalb der Rahmung wurde jeweils das Hauptmotiv, wie z.B. höfische Porträts, Personen, Tiere, Blumen oder Früchte, abgebildet. 


Zwei Fliesen mit Kandelaberrahmung; blau; Eckmotive Lilie; Blumenvase und Ziegenbock; Rotterdam oder Delft, 1620 - 1650; 13,0 x 13,0 x 1,2 cm bzw. 1,4 cm

Diese Art der Bildanlage gewann nach und nach an Bedeutung neben der bis ca. 1635 eher vorherrschenden Ornamentfliese. Letztere verbindet u.a.  geometrische Rapportmuster aus Kreuzen oder Sternen (Renaissancemotive). 

Ab 1620 fand dann die chinesische Akkolade in unterschiedlichen Formen Eingang in die Rahmenbemalung.

Gleiches gilt für das Oval als Motivbegrenzung, welches aber seltener war.

Ab 1630 wiederum trat vermehrt die Zackenraute auf. Das ist ein auf die Spitze gestelltes Viereck, umzeichnet mit Zacken. Dessen Ecken sind häufig mit dem Dreifaltigkeitssymbol (drei im Dreieck verbundene Punkte) verziert. 

Blumen in Zackenraute; rechts mit Dreifaltigkeitssymbol an den Spitzen; 13,2 x 13,2 x 1,4 cm; links orange Tulpe; Rotterdam; 13,1 x 13,1 x 1,2 cm; beide polychrom; Eckmotiv: abgewandelte Burgundische Lilie; 
1630 - 1650

Daneben gab es freilich noch einige andere Arten der Rahmung, wie z. B Vier- und Achtpass sowie Spitzbögen, die zwar nicht so häufig zu finden sind, aber immer wieder gerne verwendet wurden, sowie ganz spezielle Motivumrandungen, mit denen Fayencehersteller im Hinblick auf die Masse unterschiedlichster Fliesen wohl auch einen Hinweis auf den Herstellungsort geben wollten.

Kleine Landschaft mit Gehöft in dem für Haarlemer Fliesen damals typischen "Aigrette"-Kranz (Federbüschel-Girlande); blau mit braunen Dekorelementen; Eckmotiv: ebenfalls "Aigrette" (Federbüschel); Haarlem 1625 - 1690; 12,8 x 12,8 x 0,9 cm; selten

Im 18. Jahrhundert herrschten schließlich die ausgeprägten runden Rahmungen (Doppelkreis bzw. Dreifachkreis) sowie acht- und viereckigen Begrenzungen vor, die ab dem 19. Jahrhundert die Regel blieben. 

Landschaftsfliese mit Kutsche im großen Doppelkreis; blau; Eckmotiv: Ochsenkopf; 18. Jahrhundert (hier Rotterdam um 1750); 13,1 x 13,1 x 0,9 cm

Bibelszene, "Tobias ist reisefertig" (Buch Tobit V.17.), im Quadrat mit Halbpalmetten; blau; 1770 - 1810 bzw. 1900 - 1920 (hier Utrecht um 1900); 13,0 x 13,0 x 0,7 cm

Natürlich besaßen im 17. u. 18. Jahrhundert eine Fülle von Fliesen keinerlei Rahmen. Vor allem ab der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts lassen sich häufig Bemalungen ohne Rahmung finden. 

Kleines burgartiges Gehöft; blau; seltene Form des Ochsenkopf-Eckmotivs; möglicherweise Amsterdam, 1680 - 1700; 12,9 x 12,9 x 0,9 cm

Die charakteristischen Eckmotive blieben damit einzige Verzierung um das Hauptmotiv (siehe Eckmotive). Zudem gab es in dieser Zeit bis in das 18. Jahrhundert hinein - zwecks weiterer Reduzierung der Herstellungskosten - nicht selten sogar Fliesen ohne jegliche Rahmen- und Eckbemalung. 

Vogel auf einem Ast sitzend, möglicherweise ein Nymphensittich; blau; ohne Eckmotiv; 1670 - 1730 (hier um 1700); 12,8 x 12,8 x 0,9 cm

Mit dem 2. Viertel des 18. Jahrhunderts kann auch hier ein ähnlicher Wandel wie bei den Motiven mit Rahmen verzeichnet werden, als nun Fliesen produziert wurden, bei denen die Bemalung die gesamte Fliese ausfüllte, die als "Freilicht-Darstellung" ("openluchtje") bezeichnet wird. Vorwiegend feinste Landschaften wurden ab 1725 in dieser Weise gemalt. 

Zwei Freilichtdarstellungen, links: Hafenszene; blau; 1800 - 1850; 13,0 x 13,0 x 0,8 cm; rechts: Hirtenszene; polychrom; 1920 - 1970; 13,0 x 13,0 x 0,9 cm (siehe Exemplare aus der Periode von 1725 bis 1750 unter den Links "Herstellung", "Motive" und dort "Landschaftsmalerei" bzw. "Vögel")

Übrigens gab es solche "openluchtje"-Fliesen schon in der Zeit von 1600 bis 1625, wobei verhältnismäßig häufig Seewesen und Fische, aber auch Soldaten besonders eindrucksvoll und farbenprächtig (polychom) dargestellt wurden.

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Auswahl typischer Rahmungen

Maureskes
Quadrat

Italienisches
 Medaillon

Vierpass

Torbogen

1580 - 1625

1590 - 1625

1590 - 1625

1620 - 1650

 

Kandelaber

Akkolade

gewellte Rahmung

Oval

1620 - 1650

1620 - 1640

1625 - 1650

1620 - 1660

 

Zackenraute

großer Kreis

Achteck

Akkolade

ab 1630 (1750) ab 1660 (1760) 1750 -1800 1760 - 1850

 

Kreis in Regencerahmen

kleiner Kreis

Viereck

kleines Quadrat

1770 - 1820 1860 - 1900 1880 - 1910 1880 - 1920


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