Motive
Das Besondere der holländischen Wandfliesen ist vor allem aber, dass jede Fliese ein kleines in sich abgeschlossenes handgefertigtes Kunstwerk darstellt, welches es so trotz der Massenfertigung kein zweites Mal gibt. Diese Einmaligkeit wird dadurch noch verstärkt, dass die von den Fliesenmalern gewählten Themen und Motive überaus vielfältig waren.
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<Blumenvasen> <Blumen> <Fruchtschalen und Früchte> <Stilleben> <Landschaften> <Biblische Szenen> <Schiffe> <Fische und andere Meerestiere> <spielende Kinder> <Engel> <Soldaten> <Reiter> <Alltagssituationen oder Berufstände> <Hirten> <Chinesische Motive> <Tiere> <Vögel> <Insekten> <Seewesen und Seeungeheuer> <Mythologie> <Ornamente> <Kartuschen> <Objektdarstellungen> <Säulen- und Girlandendekors> <Rand-Fliesen>
Sehr häufig gemalte und bis heute als Vorlage verwendete Motive sind vor allem die sogenannten „bloempotten“ (Blumentöpfe oder -vasen) mit der charakteristischen dreiblütigen Blume.
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Die Fliesen von 1570 bis ca. 1630 sind mehrfarbig (polychrom), während die Fliesenbemalung von 1620 an vornehmlich in Blau, später auch in Mangan gehalten ist. Die Motive des frühen 17. Jahrhunderts wiederum sind vielfach im mauresken Quadrat gemalt. Ab 1620 sind sie nun von der Kandelaber- oder der Akkoladenrahmung, und ab 1630 vereinzelt von der Zackenraute umgeben. |
Die gängigen Eckmotive der frühen Phase sind die Viertelrosette (ab 1570) und die Maureske (ab 1600), die Burgundische Lilie (ab 1610), der große Ochsenkopf und das Wan-Li (beide ab 1620). Auf den Fliesen des späten 18. sowie des 19. Jahrhunderts befindet sich das Motiv häufig im Dreifachkreis mit abgewandeltem Wan-Li als Eckmotiv (siehe Abb.: Blumentopf im dreifachen Kreis; mangan; Eckmotiv: Abwandlung vom Wan-Li-Mäander; Utrecht oder Harlingen, ab 1800; 13,0 x 13,0 x 0,7 cm).
Ebenso typische Motive sind die etwa ab 1600 auftretenden Blumen. Hier dienten den Fliesenmalern als Vorlage die Illustrationen in Pflanzen-, Kräuter- und Blumenbüchern, die damals im Zuge des allgemein wachsenden Interesses an der Natur erschienen.
Die Blumenmotive, wie z. B. Kaiserkronen, Narzissen oder Tulpen sind deshalb sehr naturalistisch dargestellt (Abb.: Blume, polychrom; Eckmotiv: polychrome Lilie; vermutlich Gouda, 1620 - 1640; 13,0 x 13,0 x 1,2 cm). Im 18. und 19. Jahrhundert überwiegen hingegen stilisierte Blumen, wie die sog. Streublumen. |
Zu den frühen Motiven (ab 1580) gehören ferner Früchte und ab 1600 auch Fruchtschalen. Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts sind zuweilen Früchte, aber auch Blumen sowie andere Objekte als Stilleben arrangiert.
Will man von einer weiteren typischen Fliese sprechen, dann ist dies sicherlich die "Landschaftsfliese".
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Die Landschaftsmalerei
kam verstärkt in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts auf. Frühere
Landschaftsmotive, und zwar ab 1590, die anfangs auch polychrom waren,
gibt es eher selten. Die Fliesen ab 1650
sind überwiegend blau bemalt. Vom 18. bis ins späte 19.
Jahrhundert ist als Farbe auch Violett ("Mangan") beliebt. |
Es werden vor allem Fluss-
und Kanallandschaften dargestellt, im Hintergrund sind
oft mehrere Segelschiffe zu sehen (Abb.:
Holländermühle im kleinen Doppelkreis; blau; Eckmotiv: Spinne; Makkum,
1860 - 1900, um 1860; 12,8 x
12,8 x 0,7 cm;
siehe weitere Beispiele für Landschaftsfliesen aus dem 18. Jhdt. unter
"Faszination" und "Eckmotive").
Als zentrales Motiv werden zumeist Burgen oder Gehöfte gewählt, Häuser
oder Fischerhütten, Ziehbrunnen, Brücken, Taubenhäuser, Schwäne, Bäume
und natürlich Windmühlen.
Während die frühen Motive großflächig im typischen italienischen Medaillon oder mauresken Quadrat mit Eckmotiven in Ausspartechnik (z.B. Viertelrosette) und dann auch in Kandelaber- und Akkoladenrahmung (und zwar ab 1620) gemalt werden, sind die Motive ab Mitte des 17. Jahrhunderts bis in das 18. Jahrhundert recht klein gehalten, ohne Kreis und teilweise auch ohne Eckmotiv.
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Weit verbreitet waren nicht zuletzt biblische Szenen. So wurden sage und schreibe seit ca. 1640 (vereinzelt lassen sich Fliesen mit Bibelmotiven, die polychrom bemalt sind, auch schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts finden) ungefähr 600 verschiedene Motive des Alten und Neuen Testaments auf Fliesen festgehalten (Abb.: "Die Beschneidung Jesu", Lukas II.21.; blau; Eckmotiv: Spinne; Utrecht um 1720; 13,0 x 13,0 x 0,7 cm). |
Die Herstellung erfolgte ab dem späten 17. Jahrhundert in den bekannten niederländischen Manufakturen in Haarlem, Rotterdam, Amsterdam, Utrecht, Harlingen, Makkum und Bolsward, die im 18. Jahrhundert ihr Produktionsmaximum erreichte. Eingesetzt wurden die in dieser Zeit sehr beliebten "Bibelfliesen" gerne zur Verkleidung von Öfen und Kaminen und waren vor allem in den Häusern der wohlhabenden Landbevölkerung zu finden.
Ab dem 19. Jahrhundert wurde die Produktion der "Bibel-Fliesen" nahezu eingestellt. Nur noch in wenigen Manufakturen, so in Utrecht, Makkum und Harlingen, wurden nach wie vor Fliesen mit Bibelmotiven gebrannt, wo auch noch im 20. Jahrhundert solche Fliesen entstanden.
Die typische Bibel-Fliese ist anfangs blau, ab der Mitte des 17. Jahrhunderts aber auch schon mangan bemalt. Bereits im 17. Jahrhundert hat sie um das Hauptmotiv oft einen großen Doppelkreis und als Eckmotiv Ochsen- oder Spinnenköpfe. Motive ohne Kreis, die vorwiegend ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts produziert wurden, besitzen hingegen als Eckmotiv fast immer die Spinne (siehe Abb. oben).
Im 18. Jahrhundert wird das blau oder mangan gemalte Bibelmotiv weiterhin sehr häufig im großen Doppelkreis dargestellt, in den Ecken meist verziert mit dem Ochsenkopf.
Eine Angabe zur betreffenden Textstelle aus der Bibel in Form eines kleinen gemalten Schildes unterhalb der abgebildeten Szene gibt es erstmals im 1. Viertel dieses Jahrhunderts (Abb.: "Die Weisen aus dem Morgenland auf dem Weg nach Bethlehem vom Stern geleitet", Matthäus II.9.,10.; mangan; Eckmotiv: Ochsenkopf; Rotterdam um 1770; 13,0 x 13, 0 x 0,7 cm). |
Auffällig sind ab dieser Zeit auch die Fliesen mit Nelkeneckmotiven, die besonders fein gemalt sind. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts treten dann vermehrt Motive im Achteck mit Viertelrosetten, Federn und Blattabwandlungen als Eckmotive auf. Ab Ende des 18. Jahrhunderts finden sich zudem Motive in quadratischer Rahmung umgeben von sog. Halbpalmetten.
Auch im 19. Jahrhundert herrschen als Rahmung der Doppelkreis mit Ochsenkopf-Eckmotiven und das Achteck mit Eckmotiven aus Viertelrosetten bzw. unterschiedlichsten Blattabwandlungen vor, wobei im unteren Bereich der gezeigten Szene jetzt vielfach die Textstelle aus der Bibel angegeben wird.
Damit aber noch nicht genug: Die Fliesenmaler griffen vielmehr auf eine Vielzahl weiterer Themen als Motivvorlage zurück, mit welchen das Leben von Mensch und Tier an Land und zu Wasser auf den Fayencen festgehalten wurde. Meist wurden die Künstler durch ein berühmtes Gemälde, einen Holzschnitt, einen Kupferstich oder eine Radierung inspiriert.
So waren sehr beliebt maritime Motive wie Schiffe, Fische und andere Meerestiere, was für eine Seefahrernation mit einer riesigen Handels-, Kriegs- und Fischereiflotte naheliegend erscheint (Abb.: Fischkutter; mangan; Eckmotiv: Spinne; Provinz Holland, Delft oder Rotterdam, 18. Jhdt.; 13,0 x 13,0 x 0,8 cm). |
Erste
Schiffdarstellungen lassen sich schon gegen Ende des 16. Jahrhunderts finden, wobei das
Mittelmotiv anfangs häufig von den für diese Zeit typischen Rahmungen umgeben
ist (1570 - 1600 italienisches Medaillon und maureskes Quadrat, 1620 - 1650
Akkolade). Diese frühen Exemplare sind polychrom. Anschließend haben sie
bis zur ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts in der Regel keinen Rahmen und
Ab dem späten 18. Jahrhundert werden die blau oder mangan gehaltenen Schiffe dann überwiegend im Doppelkreis gemalt, wobei die Spinne als Eckmotiv vorherrscht. Gleich welcher Periode, werden alle Arten zeitgenössischer Großsegler (Kriegs- und Handelsschiffe), aber auch Fischerboote und kleinste Kähne abgebildet.
Polychrome bzw. blaue Fischmotive wurden bereits in der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts gemalt. Die typischen Darstellungen stammen jedoch aus der 2. Hälfte des 17. und der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts (Abb.: Fisch; blau; Eckmotiv: Ochsenkopf; 18. Jhdt.; 13,0 x 13,0 x 0,8 cm). |
Sie besitzen keinen Rahmen, sind blau bemalt und als Eckmotive werden Ochsenkopf und Spinne gewählt.
Die Fische schwimmen teils anmutig, teils furchteinflößend auf stilisierten Wellen. In gleicher Manier werden ebenfalls andere im Wasser lebende Tiere gemalt wie Krabben, Schnecken, Frösche, Seehunde oder Krokodile (Abb.: Walross; blau; Eckmotiv: Ochsenkopf; 2. Hälfte 17. Jhdt.; 12,7 x 12,7 x 1,1 cm; selten). | |
Gerne bildeten die Fliesenmaler auch spielende Kinder ab, die in Holland als künstlerisches Motiv eine lange Tradition besitzen. Auf Fliesen wurden solche Szenen im 17., 18., aber auch im 19. Jahrhundert gemalt, wobei vorwiegend entweder ein Kind zu sehen ist oder zwei Kinder dargestellt werden, und zwar jeweils fast immer in blauer Bemalung. |
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Die selteneren Motive der 1. Hälfte des 17. Jahrhunderts (ab 1620) sind teilweise mit Kandelaber- oder Akkoladenrahmung umgeben; Eckmotive sind Lilie, großer Ochsenkopf, Wan-Li-Mäander und Volute. Die bekannteren Motive der 2. Hälfte des 17. und der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts haben keinen Rahmen und Spinnen- oder (kleine) Ochsenkopfeckornamente bzw. keine Eckmotive (siehe Abb. oben: Kinder in Faschingskostümen; 12,4 x 12,4 x 1,0 cm; unten: musizierende Kinder mit Trommel und Flöte; 12,5 x 12,5 x 0,9 cm; beide: blau; Eckmotiv: Spinne; 1660 - 1700).
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Häufig sind abgebildet: Seilspringen, Ball- oder Federballspielen, Murmelspielen, Schaukeln, Drachensteigen, Steinschleudern, Steckenpferdreiten und Windrädchenspielen sowie Golf, Boxen und Schwimmen. Insgesamt können mehr als 90 Spielarten unterschieden werden. |
Genauso anmutig wie die "Kinderfliesen" sind die Motive mit Amoretten und Engeln, die ebenfalls vorwiegend im 17. und 18. Jahrhundert gemalt wurden. Meist sind die kleinen Figürchen einzeln abgebildet und ähneln mit ihren Flügeln den Putten der Barockkunst.
Sie werden dargestellt in vielerlei Posen und mit allerlei Gerätschaften wie Pfeil und Bogen, Fackeln oder Bechern, aber auch mit Spielzeug und Musikinstrumenten u. v. mehr (Abb.: sitzender Engel mit Pokal; blau; Eckmotiv: Ochsenkopf; 1660 - 1700; 12,9 x 12,9 x 1,0 cm). |
Die typische „Engel-Fliese“ ist blau, ohne Hintergrund und ab der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts mit Spinnen- oder Ochsenkopfeckmotiven versehen; in vielen Fällen besitzt sie sogar keinerlei Eckverzierung. Die seltenen Exemplare des frühen 17. Jhdt. sind hingegen auch polychrom und teilweise mit ornamentalem Hintergrund bemalt.
Hervorzuheben sind ferner Soldaten, deren Motiv-Inspiration sicherlich auf den langjährigen Unabhängigkeitskrieg gegen Spanien zurückzuführen ist. Besonders schön sind dabei nicht nur die mehrfarbigen Exemplare aus der Zeit von 1590 bis 1625, sondern auch die blauen Soldaten-Motive des 17. Jahrhunderts (1620 bis 1700).
All diese Motive gehen häufig auf Zeichnungen von Jacob de Gheyn zurück, der Ende des 16. Jahrhunderts von Graf Johann VII. von Nassau-Siegen mit dem Verfassen eines Exerzierbuchs beauftragt wurde ("Wapenhandelinghe", 1607). Sie sind deshalb besonders ausdrucksstark und detailgetreu gemalt (siehe Abb.: Arkebusier mit Sturmhaube, in den Händen die schussbereite Muskete, an der Hüfte der Degen; blau; Eckmotiv: Lilie; vermutlich Delft, 1625 - 1660; 13,3 x 13,3 x 1,2 cm), |
während die Motive des 18. und 19. Jahrhunderts in der malerischen Ausgestaltung schlichter waren.
Die frühen polychromen Motive bis 1625 sind umrahmt von einem italienischen Medaillon bzw. einem dreifachen Kreis, Eckmotiv ist die Rosette, oder einem mauresken Quadrat mit der Maureske als Eckverzierung. Bis 1650 sind die blau bemalten Fliesen teilweise mit Kandelaber- und Akkoladenrahmung versehen. Es herrschen nun vor die Burgundische Lilie, das Blatt und der Ochsenkopf als Eckmotiv. Später besitzen Soldaten-Motive in der Regel keinen Rahmen; Eckmotive bleiben aber die Lilie und der Ochsenkopf. Gleich welcher Herstellungsperiode - sind typisch Darstellungen von Landsknechten mit Säbeln, Gewehren, Lanzen und Spießen sowie Fahnen, aber auch mit Musikinstrumenten.
Gesondert zu erwähnen sind natürlich Reiter (Abb.: Reiter auf steigendem Pferd mit Hut; blau; Eckmotiv: Ochsenkopf; vermutlich Middelburg, 2. Hälfte 17. Jhdt.; 12,8 x 12,8 x 1,1 cm), die in der Phase von 1700 bis 1750 auffallend schön in Blau oder Mangan gemalt wurden, sog. "große Reiter", die in ähnlich gemalter Manier erneut gegen Ende des 19. Jahrhunderts auftraten. |
Zu sehen sind Reiter auf galoppierenden, springenden, sich aufbäumenden und sogar umgestürzten Pferden mit Gewehren, Pistolen, Säbeln, Trompeten, Fahnen u. v. mehr.
Ein weiterer Schwerpunkt bildete die Darstellung von Alltagssituationen oder von Berufständen, indem Einzelpersonen oder mehrere Personen in typischer Aktivität oder charakteristischer Körperhaltung festgehalten wurden (Abb.: Anwalt in Robe mit Dokumentenrolle; blau; Eckmotiv: Ochsenkopf; 1660 - 1680; 12,7 x 12,7 x 0,9 cm). |
Die Bemalung der frühen und seltenen Fliesen von 1600 - 1630 ist dabei polychrom mit meist mauresken Eckornamenten, während die bekannteren Motive ab 1620 einfarbig blau sind. Bei letzteren werden als Eckmotiv überwiegend der Ochsenkopf in seiner ursprünglichen und abgewandelten Form verwendet sowie die Volute, das Blatt und die Lilie, aber auch das Wan-Li-Mäander.
Häufig sind abgebildet alle Arten Händler oder Marktfrauen, Handwerker unterschiedlichster Zunft, Fischer, Bauern, Jäger und vor allem Hirten, aber auch Geistliche oder Juristen (Abb.: Schäferin vor stilisierter Landschaft mit zwei Schafen im Hintergrund; blau; Eckmotiv: Spinne; vermutlich Friesland, 18. Jhdt.; 13,0 x 13,0 x 0,8 cm). |
Zu finden sind ferner Musikanten, Artisten, Akrobaten, Narren, Bettler sowie Männer und Frauen in ihrer zeitgenössischen Tracht.
Kurzum: Szenen aus dem Berufsalltag wurden ebenso gemalt wie das kunterbunte Treiben auf den Gassen und in den Kneipen bis hin zu Darstellungen rauchender, trinkender oder tanzender Menschen (Abb.: trinkender Mann; Eckmotiv: Ochsenkopf; 1640 - 1670; 12,6 x 12,6 x 1,1 cm). |
Und selbst vor in aller Öffentlichkeit urinierenden, defäkierenden und sich übergebenden Männern und Frauen machten die Holländischen Fliesenmaler nicht Halt.
Solche Motive, die seinerzeit in der holländischen Kunst nicht selten Verwendung fanden und u. a. auch in Rembrandts Radierungen aus der 1. Hälfte des 17. Jhdt. zu finden sind, sollten wohl den Mittelstand vor dem Sittenverfall warnen, sog. Bilder von der "lockeren Gesellschaft" (Abb.: sich übergebender betrunkener Mann gehalten von seiner Frau; Eckmotiv: Spinne; 1660 - 1690; 13,0 x 13,0 x 1,0 cm; selten). |
Nicht unerwähnt dürfen sog. Chinesische Motive bleiben, für die das in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts eingeführte Chinesische Porzellan als Vorlage diente, welches in Europa seine Spuren hinterließ. Die chinesische Porzellanmalerei war quasi ein gefundenes Fressen für die Fliesenmaler, welche bis ins 20. Jahrhundert das Aussehen der "Delfter" Fliesen prägte.
Dieser Einfluss äußerte sich neben der typischen blauen Farbgebung vor allem in der Gestaltung des Eckmotivs, nämlich dem als "Wan Li" bezeichneten Mäandermuster.
Kopiert wurden aber auch Darstellungen von Vögeln, Insekten und Blumen - sog. chinesischer Garten (siehe Abb.: chinesischer Garten im kleinen Doppel-Kreis mit "Aigretten" = Federbüschel; blau; Eckmotiv: Dreifaltigkeitssymbol; wohl Rotterdam oder Haarlem, 1620 - 1650; 13,0 x 13,0 x 1,1 cm) - bis hin zu figürlichen Szenen sowie einzelnen Figuren in ihrer typischen chinesischen Tracht und in traditioneller Pose. |
Besonders geschätzt waren nicht zuletzt Abbildungen einzelner Tiere (siehe weitere recht frühe Tierfliesen unter "Einleitung": Torbogenfliese mit springendem Fuchs und polychromes Motiv in maureskem Quadrat mit Hase sowie springender Hirsch in Akkoladenrahmung und mit Wan-Li-Eckmotiven; unter "Herstellung": Ziege in Zackenraute; unter "Eckmotive": Rotterdamer Kronenfliese und unter "Alterbestimmung": polychromes Tiermotiv in maureskem Quadrat, beide mit Fuchs).
Von 1570 bis in das erste Viertel des 17. Jahrhundert sind die "Tierfliesen" polychrom. Das Tiermotiv befindet sich entweder in einem mauresken Quadrat mit Palmetteneckmotiv oder in breitem Kreis (italienisches Medaillon) mit umgekehrter Rosette als Eckmotiv (Abb.: Hirsch in maureskem Quadrat; polychrom; Eckmotiv: Palmette; 1580 - 1625, ca. 1610; 13,2 x 13,2 x 1,5 cm). |
Schon ab 1620 sind diese Fliesen dann überwiegend blau bemalt, die Kandelaber- und Akkoladenrahmung typisch. Die Eckmotive variieren zwischen Wan-Li, Lilie, Ochsenkopf oder Blattmotiv.
Exotische Tiere oder Zootiere, so z.B. Elefanten, Löwen, Panther, Bären, Kamele, Krokodile und Affen (Abb.: Raubkatze in gewellter Rahmung; blau; Eckmotiv: Wan-Li; Rotterdam, 1620 - 1660; 13,4 x 13,4 x 1,5 cm) sind genauso zu sehen wie heimische Tiere des Waldes bzw. der Jagd, so vor allem Hirsche, Füchse, Hasen, Eichhörnchen und Wildschweine, |
und natürlich Haustiere, wie Kühe, Ziegen, Schweine, Schafe, Pferde, Katzen und Hunde und überdies Fabeltiere wie das Einhorn (insgesamt genannt „Springertjes“).
Abgebildet werden ferner vielerlei Arten Vögel, und zwar Papageien, Pfauen, Eulen, Greifvögel und Singvögel bis hin zu Laufvögel, wie Strauß und Emu,
aber auch Schwäne, Enten, Gänse, Hähne und Hühner (Abb.: Adler; blau; Eckmotiv: Blüte; 1635 - 1660, 13,0 x 13,0 x 1,2 cm; selten; siehe unter "Eckmotive eine weitere sehr frühe Vogelabbildung von 1590 - 1625: Elster im Medaillon; polychrom; Eckmotiv: Viertelrosette in Ausspartechnik). |
Nicht weniger beliebt waren Darstellungen von Insekten, meist Schmetterlinge, Heuschrecken sowie Libellen und
zuweilen selbst Raupen, und zwar oft in Verbindung mit Blumen und Pflanzen (Abb.: Schmetterling über Blume im Medaillon; polychrom; Eckmotiv: Wan-Li-Mäander; Harlingen, 1630 - 1650; 13,0 x 13,0 x 1,2 cm, selten). |
Als Vorlage dienten die Abbildungen in den zoologischen Büchern des 16. und 17. Jahrhunderts (z.B. aus dem "Animalium quadrupedum" von 1612 mit Tierillustrationen des Adrian Collaert und der "Historia naturalis" von 1650 mit Kupferstichen des Matthäus Merian) oder Holzschnitte von Albrecht Dürer und Radierungen von Nicolas Berchem.
Die Tier-Motive der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts sind im Gegensatz zu den Darstellungen bis 1660 wesentlich kleiner bzw. sehr klein, die Bemalung bleibt blau. Als Eckmotive werden Ochsenkopf (in seiner kleineren Form) und Spinne verwendet, teilweise haben die Fliesen auch keinerlei Eckverzierung.
Ab dem 18. Jahrhundert bis ins 19. Jahrhundert sind die blauen Tiermotive dann meist im großen Dreifachkreis gemalt. Als Eckmotiv herrscht nun die Spinne vor (Abb.: Hase im Dreifachkreis; blau; Eckmotiv: Spinne; ca. 1850; 12,8 x 12,8 x 0,8 cm). |
Neben mehr oder minder realistischen Themen hatten es auch phantastische Motive den Fliesenmalern angetan. Darstellungen von auf Wellen reitenden Seewesen, halb Mensch, halb Fisch, sowie von Seeungeheuern, halb Fisch, halb Säugetier oder sogar halb Drache, entsprachen im 17. und 18. Jahrhundert den damaligen Berichten weit gereister Seefahrer. Teilweise besitzen die Seewesen einen mythologischen Bezug:
So sind typisch Abbildungen des Meeresgottes Poseidon (Neptun) mit seinem Dreizack oder seines Sohn Triton mit dem Muschelhorn an den Lippen, von Amor mit Pfeil und Bogen sowie der Venus auf ihrer Muschel (Abb.: Neptun; blau; Eckmotiv: Ochsenkopf; 1660 - 1700; 12,5 x 12,5 x 1,0 cm). |
Die Motive von 1600 bis 1625 sind polychrom und nehmen die gesamte Fliesenfläche ein. Vorbilder waren z.B. erneut die Stiche von Jacob de Gheyn.
Die Darstellungen ab 1640, wobei unverkennbar Seewesen und Seeungeheuer am häufigsten in der 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts und in ähnlicher Manier noch bis 1780 und 1830 gemalt wurden, sind hingegen in der Regel blau (Abb.: Drache; blau; Eckmotiv: Ochsenkopf; 1660 - 1680; 12,6 x 12,6 x 0,9 cm). |
Sie haben Spinnen- oder Ochsenköpfe als Eckmotive und schwimmen (wie die Schiffs- und Fischdarstellungen aus der gleichen Zeit) auf stilisierten Wellen, die auch hier teilweise schematisch wie ein Teppich angeordnet sind.
Zur Kategorie phantastischer Darstellungen dürften ebenfalls Szenen aus der griechischen und römischen Mythologie gezählt werden, die hauptsächlich im 17. Jahrhundert gemalt wurden. Als Vorlage für solche frühen polychromen Exemplare dienten die Stiche von Jan Muller. Im Übrigen entsprachen - je nach Periode - die Bildanordnung und die Wahl der Eckmotive der der Seewesen.
Häufig wurden nicht nur bekannte Szenen aus der Göttergeschichte gemalt, so z. B. der Göttervater Zeus in Stiergestalt, wie er Europa über den Bosporus trägt. Abgebildet wurden vielmehr auch Szenen aus dem griechischen Heldenepos (Abb.: Daedalus; blau; Eckmotiv: Spinne; 1640 - 1680; 12,9 x 12,9 x 1,0 cm). |
Daneben wurden vielfach Meerjungfrauen, Nymphen, Satyrn und Faune dargestellt.
Zu den frühesten Motiven holländischer Fliesen (ab 1570) gehören schließlich Ornamente, die bis in das frühe 17. Jahrhundert hinein überwiegend mehrfarbig (polychrom) bemalt waren (siehe drei weitere Bespiele sehr früher Ornamentfliesen unter "Einleitung", "Eckmotive" und "Altersbestimmung"). Hierbei wurde zunächst die spanische/maurischen Ornamentik des 16. Jahrhunderts übernommen, weswegen vor allem die Fliesen des späten 16. Jahrhunderts den in Antwerpen hergestellten Fliesen sehr ähnlich sind.
Obschon die gegenständliche und figürliche Bemalung ab 1600 in den Vorderund trat, gab es Ornamentfliesen in vielfältiger Weise auch im 17., 18. und 19. Jahrhundert.
Sie griffen nicht selten die Stilelemente der jeweiligen Epoche (Barock, Rokoko, Empire) auf und waren ab Mitte des 17. Jahrhunderts überwiegend blau oder mangan bemalt (Abb.: Ornamentfliese; mangan; 1770 - 1930; hier Ende 18. Jhdt.; 13,1 x 13,1 x 0,7 cm). |
Die Exemplare des 19. Jahrhunderts erinnern zuweilen an Tapetenmuster. Ursache wird in der damals wachsenden Nachfrage nach bemalten Tapeten als Innendekoration von Räumen gesehen, mit denen Fliesen mehr und mehr konkurrierten.
Mit Ornamentfliesen dürfen nicht verwechselt werden Bemalungen mit Kartuschen, die jenen sehr ähneln, und sog. Objektdarstellungen, bei denen Gegenstände mehr oder minder isoliert abgebildet werden.
Solche Motive traten überwiegend im 18. und 19. Jahrhundert in Erscheinung. Die Bemalung war meist in Mangan gehalten (Abb.: Vase auf Kartusche mit Portrait eines Mannes und zwei Fahnen haltende Putten; mangan; Eckmotiv: Viertelrosette; Rotterdam, 1720 - 1770; 12,9 x 12,9 x 0,7 cm; selten). |
Eine besondere Form der bildlichen Darstellung entwickelte sich verstärkt im 18. und 19. Jahrhundert. Es handelt sich um sog. Fliesenbilder oder auch Fliesentableaus, die zusammengelegt ein großes Einzelbild ergeben.
Hierbei wurden als Gesamtmotiv z.B. Pferd, Kuh, Huhn, Hund und Katze abgebildet, die sehr oft in Bauerhäusern zu finden waren und überwiegend aus 4 oder 6 Einzelfliesen bestanden.
Schiffsdarstellungen (einzelne bzw. mehrere Schiffe bis hin zu Seeschlachten), die sich zum Teil über 5 mal 5, 5 mal 6 oder noch mehr Fliesen erstreckten, waren ebenfalls gefragt. Häufig schmückten solche Tableaus Wohnräume der Seeleute.
Zu finden sind eigentlich alle Motive der Einzelfliesen, wie biblische Szenen (Abb.: Flucht von Maria und Josef mit dem Jesuskind nach Ägypten, Matthäus II.14.; mangan; Utrecht, 2. Hälfte 19. Jhdt.; bestehend aus 3 x 4 Einzelfliesen, je 12,8 x 12,8 x 1,0 cm), mythologische Themen, Landschaften mit Gebäuden, aber auch kriegerische und bäuerliche Szenen, Alltagssituationen unter Darstellung von Einzelpersonen oder Personengruppen. |
Daneben gibt es ebenfalls Motive mit Vogelbauer und unterschiedlichen Vögeln, wobei meist der gelbe Kanarienvogel zu sehen ist (siehe ein solches Fliesenbild aus der 2. Hälfte des 19. Jhdts. unter "Einleitung"), Blumen-Bouquets und chinesische Dekore sowie reine großflächige Ornamente. Besonders beliebt waren schließlich Reiterporträts, die vor allem Angehörige des Hauses Oranien zeigen.
Zur Gruppe der Fliesenbilder gehören auch Säulen- und Girlandendekors, die vorwiegend im 18. und 19. Jahrhundert hergestellt wurden und blau oder mangan bemalt sind.
Das Säulendekor ist ein Fliesenbild, welches aus 13, manchmal auch aus 12 untereinander angeordneten Fliesen besteht. Zuweilen sind im Strang zwei Fliesen nebeneinander verlegt worden, sog. Doppel-Säule. Die Fliesen sind bemalt mit fortlaufenden Blüten- und Blattranken, besetzt mit Vögeln oder Putten, weswegen auch der Begriff Rankendekor verwendet wird.
"Fliesen-Säulen" wurden vor
allem bei der Umrandung von Kaminen verwendet. Sie finden sich aber auch, so vorwiegend in Norddeutschland, rechts und links von
Türöffnungen (Abb.: Teil
eines Rankendekors: Putto umgeben von Weinranke mit Traube; blau; vielleicht Makkum, 1700 -
1780; beide Fliesen 12,9 x 12,9 x 0,9
cm; selten). Girlanden aus Blumen, zum Teil kombiniert mit Früchten, Vögeln oder anderen Tieren, sind ähnlich gestaltet wie das Säulendekor. Sie bestehen aus 4, 6 oder 12 in vertikaler Reihe angeordneten Fliesen. |
Hierbei ist die oberste Fliese häufig mit einer Schleife bemalt, durch die das Girlandendekor zusammengehalten wird. Girlanden wurden meist als optische Trennung zwischen zwei größeren Fliesenfeldern eingesetzt.
Abschließend gilt noch zu erwähnen, dass zu jeder Zeit spezielle Fliesen gebrannt wurden, die bei gefliesten Wänden oder Fliesentableaus als Rahmung, Sockel oder Fries Verwendung fanden. Die Bemalung entspricht meist der Farbgebung, Ornamentik oder dem Motiv der umrahmten Fliesen, was zugleich die Vielfältigkeit solcher "Rand-Fliesen" begründet. Es gibt dabei in sich abgeschlossene Motive, die durch Aneinanderreihung ein sich wiederholendes Muster ergeben, und sog. fortlaufende bildliche Darstellungen über zwei oder mehrere Fliesen (sog. Friese).
Die frühen Rand-Fliesen (1570 - 1650) sind entsprechend der Farbgebung früher Fliesenmotive polychrom (Abb.: zwei Rand-Fliesen mit Ringelblumen und Flügelblättern; polychrom; 1610 - 1640; 6,8 x 13,8 x 1,6 cm), |
während die späteren Exemplare (ab 1620) natürlich blau und seit dem 18. Jahrhundert auch mangan, anschließend zuweilen auch wieder polychrom bemalt sind.
Die typische Größe von Rahmen-Fliesen beträgt 6,5 x 13 cm, sog. "halfjes". Das Ausmaß von Sockel- oder Friesplatten, letztere wurden am oberen Rand der Fliesenwände angebracht, liegt hingegen entsprechend der üblichen Größe der "Motiv-Fliesen" in der Regel bei ca. 13 x 13 cm. Ebenfalls quadratisch sind die halbhohen Rand-Fliesen in den Ecken (6,5 x 6,5 cm), um so eine vollständige Rahmenverbindung übereck zu schaffen.
Mit anderen Worten: Vor dem Sammler breitet sich eine unbeschreibliche Vielfalt an Dekoren und vor allem eine unerschöpfliche Auswahl an Motivthemen aus, mit denen eindrucksvoll längst vergangene Zeiten auf holländischen Fliesen festgehalten wurden.